Meine Entscheidung für das generische Femininum

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Ich spreche Dich hier auf meiner Webseite in aller Regel als (gramma­ti­ka­lische) Frau an. Warum ich mich dafür ent­schie­den habe, sei im Fol­genden etwas aus­führlicher erklärt.

Ich habe lange überlegt, wie ich die potenziell große Band­breite von Leuten, die diese Webseite besu­chen könn­ten, ansprechen möchte. Kommu­ni­kation ist etwas, womit ich mir übli­cher­weise, und gerne, große Mühe gebe. Aller­dings erfor­dert es ganz ver­schie­dene Bemüh­ungen, wenn ich direkt mit einer Person ein persön­liches Gespräch führe als wenn ich einen fertig geschrie­benen Text ins Netz stelle, von dem ich nicht weiß, wer ihn liest.

Kein generisches Maskulinum

Für die die nicht Latein gelernt haben oder sonstwie Gram­matik­fans sind: „generi­sches Masku­linum“ heißt, dass die männ­liche Form als Standard für alle gilt und alle anderen „mitmeint“. (Außer wenn eben nur Männer gemeint sind.) Dass ich das nicht als pau­schale Ansprache ver­wen­den möchte, ist ziemlich ver­ständ­lich, denke ich: meine primäre Ziel­gruppe sind Frauen, und ich bin auch eine. Wir werden schon unser ganzes Leben lang mitgemeint, und es nervt.

Nanu? Auch keine Gendersternchen?

Warum benutze ich dann nicht die in weiten Kreisen belieb­ten Sternchen? Ist mir Inklu­sivität nicht wichtig? Will ich nicht­binäre Menschen aus­schlie­ßen? Oder weiß ich womög­lich nicht, wie das geht?

Nein.

Mir ist Inklusivität total wichtig. Dazu gehört absolut eine respekt­volle Form der Kommu­ni­kation. Inklusion ist aber wichtig für alle Rand­gruppen, nicht nur auf der Achse der Geschlechts­identität, und für viele Menschen mit erhöh­ter kogni­tiver Belastung machen die Stern­chen einen Text schlecht lesbar. Für Vorlese­programme ist es erst recht suboptimal.

Nun ist erstmal keine Gruppe wichtiger oder ärmer dran oder was auch immer als die andere, ich will haupt­säch­lich sagen, dass die Stern­chen keine per­fekte Lösung sind. Wenn man sich ein­gehend mit dem Thema Gendering in der deutschen Sprache befasst, merkt man schnell, dass es leider im Moment einfach keine per­fekte Lösung gibt. Das soll aber gewiss keine Ausrede sein, um es einfach bleibenzulassen!

Ich persönlich denke, dass für eine zukunfts­fähige Sprach­verän­derung eine Menge Krea­tivität und Aus­pro­bieren von einer immer weiter wachsen­den Menge Menschen gefor­dert ist. Dabei werden wir eine ganze Reihe von imper­fekten Wegen finden, erstmal eine Verän­derung zu bewirken, bis wir irgend­wann in der Lage sein werden, wirkliche sprach­liche Inklusion zu schaffen. Das braucht Zeit, und es braucht Experimente.

Von daher bin ich überhaupt nicht generell gegen das Gender­sternchen – ich persön­lich möchte es aus zwei Gründen hier nicht verwenden:

  1. sehe ich immer häufiger den, hm, wenig durch­dachten, geradezu dahin­gestreu­ten Einsatz des Stern­chens, und ich glaube, alles Gendering bringt nur so viel, wie man sich darüber wirk­lich Gedan­ken macht. Ich will mir lieber richtig Gedan­ken machen, was ich wie wem kommuniziere.
  2. finde ich selber, dass es meine Texte holprig und unschön macht. „Unschön“ nicht im Sinne von „unästhetisch“, sondern im Sinne von „verständnis­erschwerend“. So möchte ich nicht kommunizieren.

Anekdoten aus meinem Leben als sprach­bewusster Frau

Vor über zwanzig Jahren, gleich nach dem Abitur, zog ich in Erwägung, irgend­wo auf den britischen Inseln zu studieren. Ich schrieb acht oder neun Univer­sitäten an, die mir alle eine Broschüre von sich schick­ten. Gleich zwei von diesen Univer­si­täten schrieben vorne in einem Sätz­chen, dass sie der Einfach­heit halber pauschal „she/her“ Pronomen verwen­deten und sich bitte alle gleicher­maßen ange­sprochen fühlen mochten. Und dann sprach tat­säch­lich die ganze Broschüre direkt und ohne den kleinen, selbst­ver­ständ­lichen geistigen Umweg, den mein Kopf sonst machte, zu und mit mir, als Frau. Wow.

Diese Erfahrung durfte ich sonst in meinem Leben nur noch einmal machen, vor nicht allzu langer Zeit bei der Lek­türe eines Buchs von Marie Kondo, die auch ohne Um­schweife von „Leserinnen“ schreibt. Und ich finde das schade, für mich und für alle anderen Frauen, und tat­säch­lich auch für die Männer, die gar keine Chance haben je zu erfahren, wie es sich anfühlt, wenn man immer kurz im Hinter­kopf prüfen muss, ob man nun WIRKLICH ange­sprochen ist mit einem Satz oder eben doch nicht.

Mein Weg, auch suboptimal: das generische Feminium

Ich habe mich darum – wie gesagt nach langer Reifezeit – entschlos­sen, hier auf meiner Webseite grund­sätz­lich das generische Femi­ninum, also die pauschal weibliche Ansprache, zu verwen­den. Das heißt ich rede von Besucherinnen, Kundinnen, Unter­nehmerinnen, … wenn ich keinen schönen geschlechts­neutralen Weg finde, mich auszu­drücken. Ich werde mir selbst­verständ­lich trotzdem Mühe geben mit meiner Ausdrucks­weise, und an dieser Stelle möchte ich explizit sagen, dass ich hoffe, dass auch nicht­binäre, geschlechts­lose und andere Personen mit der Erfahrung, die sie dadurch machen, etwas an­fangen können. Und sei es nur, dass sie fest­stellen, dass es sich genau gleich anfühlt wie in der männ­lichen Form mitge­meint zu sein – das wäre ja auch ein Ergebnis, mit dem sich weiter­arbeiten lässt. Ich könnte mir aber auch vor­stellen, dass es nicht ganz das Gleiche ist.