Das mach ich selber!
Ich oute mich hier gleich mal: ich bin extreme Selbermacherin, so sehr, dass ich öfter mal überlege, ob das wirklich alles sinnvoll ist. Und dann entscheide ich mich doch jedesmal wieder dafür, obwohl ich weiß, dass das oft nicht effizient ist, und obwohl ich den allermeisten anderen Leute immer rate, klug abzugeben.
Das will ich nur gleich zu Anfang gesagt haben – ich weiß, dass ich an dieser Stelle öfter mal Wasser predige und Wein trinke. Ich werde aber im Folgenden erklären, warum ich für mich so entscheide und anderen empfehle anders zu entscheiden, und selbstverständlich entscheidest Du für Dich ja selber, und wie Du meinen Rat einbeziehst ist auch Deine Sache.
Was spricht fürs Selbermachen?
Wie gesagt, ich neige sehr zum Selbermachen, und ich finde, dass viele gute Gründe dafür sprechen.
Selbstwirksamkeit
Punkt 1: Es macht einfach Spaß. Etwas selbst zu machen regt meine Kreativität an, und es gibt mir das Gefühl von Eigenmacht. Es ist die Bestätigung, dass ich etwas selber machen kann, dass ich kompetent bin, mir mein Leben so zu gestalten, wie ich möchte.
Kontrolle
Punkt 2: Wenn ich etwas selber mache, kann ich es mir genau so hinbiegen, wie ich es haben will, und genau dann, wenn ich es brauche. Es entstehen keine Missverständnisse, und ich weiß jederzeit genau, wie weit ich bin.
Schnellere Entwicklung
Punkt 3: Wenn es sich um etwas handelt, das im Tun entwickelt werden muss und wo nicht von vornherein alle Tätigkeiten klar definiert sind, dann bin ich schneller, wenn ich es selber mache, weil ich nicht ständig mit jemandem Rücksprache halten muss.
Sichere Ergebnisse durch eigene Verlässlichkeit
Punkt 4: Ich weiß, was ich kann, und ich weiß, wann ich es erledigen kann. Wenn ich mich daran halte, weiß ich genau, wann es fertig ist, und erfahre nicht kurz vor einer Deadline, dass dummerweise irgendwas schiefgelaufen ist und das Ding, das ich brauche, doch nicht rechtzeitig fertig wird.
Was spricht fürs Abgeben?
Fürs Abgeben bzw. Beauftragen spricht mindestens genauso viel – oft auch von einem finanziellen Standpunkt aus!
Beschränkte Zeit
Punkt 1: Mein Tag hat nur vierundzwanzig Stunden, und schlafen und essen sind WICHTIG. Ganz egal, ob ich alles selber machen könnte, wenn es bis übermorgen fertig sein muss, dann kann ich es manchmal einfach nicht.
Beschränkte Kompetenzen
Punkt 2: Ich persönlich bin ein vielseitig begabter Mensch und glaube, dass ich so ziemlich alles lernen kann, wenn es mich interessiert. Inzwischen kenne ich aber auch hier meine praktischen Grenzen (manche Dinge brauchen einfach sehr lange zu lernen) und auch meine Neigungen – sprich es gibt Dinge, die mich einfach nicht genug interessieren. Und ganz klar: wenn man Dinge richtig gut können will oder muss, braucht das garantiert viel Zeit.
Bessere Ergebnisse durch Vielfalt
Punkt 3, eine Erkenntnis, die ich schon sehr oft hatte: Andere Menschen haben ganz andere Ideen. Das müssen nicht immer bessere Ideen sein, aber in aller Regel sind welche dabei, auf die ich selbst nie gekommen wäre. Input von anderen ist befruchtend und birgt ungeheures Potenzial für Neues und Spannendes.
Sichere Ergebnisse durch Fachkenntnisse
Punkt 4, und darüber stolpere ich immer noch mit schöner Regelmäßigkeit: Ja, ich kann lernen wie es geht, aber das dauert, und es dauert IMMER länger als ich dachte! Bisweilen sogar sehr viel länger. Wenn ich jemanden mit Fachkenntnissen beauftrage, kriege ich eine Zeitschätzung, die auf Erfahrung beruht und in aller Regel gut hinkommt. (Für meine Webseiten kann ich das inzwischen auch sehr, sehr viel besser als zu Anfangszeiten.)
Keine lästigen Tätigkeiten!
Punkt 5, aus meiner Sicht der wichtigste: Quäl Dich nicht mit Tätigkeiten, die Dir keinen Spaß machen, nur weil Du es kannst. Schon gar nicht regelmäßig. Ich kenne einen ehemaligen Steuerberater, der seine Steuererklärung nicht selber macht, weil er keine Lust darauf hat. Das finde ich super! Ganz egal ob es Geld spart oder was auch immer – Dein Leben ist zu kurz, um Dich mit Dingen zu beschäftigen, die Dir definitiv keine Freude bereiten. Dann gib sie auf jeden Fall an eine ab, die Spaß daran hat – Win-Win für alle Beteiligten.
Wie entscheide ich das nun?
Tja, gute Gründe wo man hinschaut. Wie so oft ist es kein Fall von richtig oder falsch, oder das eine ist immer besser als das andere. Es kommt zum einen auf die Situation und zum anderen auf Deine grundsätzlichen Prioritäten an.
Erstmal rechnen!
Mein Vorschlag: Betrachte das Ganze erstmal mit einem nüchternen, geschäftlichen Auge. Lohnt sich das gesparte Geld?
- Wieviel Geld würde es kosten, die Sache zu beauftragen?
- Wieviel Zeit würdest Du Dir dadurch sparen, die Du in Dein Business stecken kannst?
Ein Beispiel: mein neues Hexenhut-Logo habe ich selbst entwickelt, in einem Prozess, der mich gut zwanzig Stunden Zeit gekostet hat. In zwanzig Stunden kann ich eine Webseite erstellen, die mir etwa zweitausend Euro einbringt. Hätte ich soviel für ein gutes Logo bezahlen müssen? Nicht mal annähernd. Rein rechnerisch hat sich das also gewiss nicht gelohnt.
Was Du auch immer mit überlegen solltest, ist ob Selbermachen überhaupt zeitlich machbar ist. Mal ein Beispiel aus dem Privatleben: Du hast demnächst ein großes Fest und möchtest ein ganz besonderes Kleid dazu tragen. Außerdem nähst Du gerne. Ist es realistisch, dass Du Dir pünktlich zum Fest ein schönes Kleid nähen kannst? Wenn das Fest schon übermorgen ist und Du bisher nur Hosen für Deine Patenkinder genäht hast, wahrscheinlich nicht. Wenn Du zwei Monate Zeit und schon drei Kleider für Dich genäht hast, wahrscheinlich schon. Wie hoch ist diese Wahrscheinlichkeit, und wie dringend brauchst Du einen Plan B?
… dann hinspüren
Rechnen finde ich total wichtig, aber es ist definitiv nicht alles. Wenn es gar nicht geht, dann geht es nicht, und diese Klarheit ist hilfreich! Aber wenn es geht und halt nicht besonders kosteneffizient ist, dann kann ich frei entscheiden, was mir gerade wichtig ist: Will ich mich lieber auf mein Business konzentrieren und da schneller vorwärts kommen? Oder möchte ich meinen Horizont erweitern oder eine Runde kreativ sein oder einfach die volle Kontrolle behalten, auch wenn mich das eine ungewisse Menge Zeit und Energie kostet?
Darauf gibt es keine fertige, klare Antwort, aber wenn Du vorher Deinen Rahmen geklärt hast, dann kannst Du Dir diese Frage stellen und wissen, was für Dich jetzt gerade passt und richtig ist. Ich empfehle Dir aber unbedingt, vorher zu rechnen, sonst geht es Dir wie mir so oft: Ich habe mir früher gerne die Dinge schöngeträumt, à la „wird schon hinkommen“. Und das gibt Stress und Enttäuschungen, garantiert.
Ein paar Beispiele von mir
Nochmal zu meinem Hutlogo: Warum habe ich es selber erstellt und nicht eine Fachfrau beauftragt, die mir die Zeit gespart und was vielleicht noch viel Cooleres gezaubert hätte?
Entstehung meines neuen Hutlogos
Zum einen gebe ich sofort zu, dass ich eben nicht vorher gerechnet habe ;-) ich habe einfach angefangen herumzubasteln, nachdem mir die Erkenntnis gekommen war, dass mein altes Hutlogo mit dem analogen, auf Papier gezeichneten Hut zwar durchaus zu mir, aber nicht sehr gut zu meinem digital ausgerichteten Unternehmen passte. Ich bastelte mal hier ein Stündchen, da ein Stündchen mit einem Programm, das mir großen Spaß macht und das ich sowieso gerne besser beherrschen wollte (Inkscape), also mit zusätzlichem Lerneffekt. Es hat viel Spaß gemacht, kreativ herumzuprobieren, und ich hatte keinerlei Zeitdruck, wann es fertig sein musste. Und irgendwann fand ich es einfach gut.
Das war für mich ein total akzeptabler Prozess in diesem Kontext: nicht kosteneffizient, aber ich hatte Freude daran und bin zufrieden mit dem Ergebnis. Ich würde ein Logo nicht für jemanden anders gestalten wollen, denn dafür kann ich es nicht gut genug und weiß nicht genug über Logogestaltung, um es ordentlich zu machen, aber so als eine Art Hobby hat’s gepasst. (Auf diesem Niveau spiele ich auch sonst mit Inkscape herum.)
Steuer & Buchhaltung
Meine Steuererklärung und meine Buchhaltung mache ich ebenfalls komplett selber, inzwischen mit einer Online-Software, die mir vieles abnimmt (was mich absolut glücklich macht), zum Beispiel das gesetzeskonforme Festschreiben von Rechnungen, oder auch die Umsatzsteuer-Voranmeldung. Aber ich mache beides gerne und sehr bewusst selber, weil ich das für einen so zentralen und wichtigen Baustein meines Unternehmens halte. Ich möchte jederzeit wissen, was der Stand der Dinge ist, wo Geld reinkommt und wo es rausgeht, wo es vielleicht klemmt, wo der Trend hingeht. Wenn ich alles gleich buche (naja meistens mach ich es einmal die Woche, aber das reicht), kann ich jederzeit ein paar Zahlen und Diagramme angucken und weiß Bescheid. Das ist mir sehr wichtig. Und wenn ich das das ganze Jahr über ordentlich mache, ist die Steuererklärung am Ende ziemlich einfach!
Ich gebe aber auch zu: eine Freundin von mir ist ausgebildete Steuerfachangestellte, und es ist sehr, sehr hilfreich, sie gelegentlich nach Details fragen zu können. Ob ich mir alleine dafür ein Steuerbüro suchen würde, weiß ich nicht. Vielleicht wenn mein Betrieb irgendwann wächst und komplizierter wird – dafür bin ich offen, aber das seh ich ja dann.
IT & Computersysteme
Da gehöre ich zu den ganz Prinzipiellen: Ich kümmere mich sogar selber um meine ganze IT und meine Geräte. Da gibt’s keine Hotline und keine Fernwartung oder irgendwas: Wenn bei mir was nicht tut, muss ich selber ran. Wenn Hardware kaputtgeht oder alt wird, geh ich zum Arlt oder zum Saturn, und was für Software auf meinen Geräten läuft, entscheide ich regelmäßig neu.
Hier spielt Geld tatsächlich keine Rolle in meinen Überlegungen: Ich will, dass meine wichtigsten Arbeitswerkzeuge mit Open-Source-Software laufen, Punkt. Und Dienstleisterinnen für Linuxsysteme zu finden, ist vermutlich schon möglich, aber begegnet ist mir noch keine (nicht mal in männlicher Form). Sowieso ist ja eine der ganz großen Stärken von Linux, dass man sich (im Rahmen der eigenen Fähigkeiten) alles so einrichten kann, wie man es braucht und haben will, und ich liebe das. Ich will ein obskures Tastaturlayout? Hat mein Linux definitiv. Ein Programm macht nicht oder nicht mehr das, was ich brauche? Ich probier ein anderes. Mir fehlt eine Funktionalität? Ich programmier sie selber! – Okay, das habe ich zugegeben noch nicht auf Betriebssystemebene gemacht, nicht zuletzt weil es noch nie nötig war, aber ich KÖNNTE.
Und wenn ich das so haben will, dann muss ich es halt selber machen. Das heißt ganz klar, dass wenn ich verschnarche, mir Backups einzurichten und irgendwas abraucht, dass es halt auch mich trifft, und dass ich mir einfach drei Tage Zeit nehmen muss, um das System neu einzurichten (das war zum Beispiel diese Woche der Fall), wenn es anfängt, gelegentlich in den blödesten Momenten einfach einzufrieren und nicht mehr vorwärts oder rückwärts zu wollen – aber das ist dann halt so, und diesen Preis bin ich bereit zu zahlen für Geräte, die wirklich genau so funktionieren, wie ich es haben will, UND die obendrein keine Unsummen für Software verschlingen. (Über meine Open-Source-Überzeugungen schreibe ich definitiv auch nochmal einen eigenen Artikel oder fünf.)
Da hat Selbermachen nicht funktioniert: Visitenkarten
Wie gesagt, ich bin und war schon immer prinzipielle Selbermacherin, und meistens fahre ich damit gut, wenn auch nicht immer effizient. Aber um auch mal ein Beispiel zu zeigen, an dem ich meine Grenzen ein bisschen kennengelernt habe: Ich hatte mir ganz zu Anfang meiner Selbständigkeit selbst Visitenkarten gedruckt, mit so einem Ausstanz-Papier, meinem damaligen Tintenspritzer und sehr, sehr viel Gefummel, bis es halbwegs gepasst hat. Die waren, naja, okay. Ich habe sie de facto nie wirklich gebraucht, weil ich nicht viel herumgekommen bin und auch keinerlei Marketing-Konzept oder auch nur Ambitionen diesbezüglich hatte.
Mit dem neuen Logo und dem neuen Büro und obendrein meiner neuen Neigung, tatsächlich zu reisen und zu netzwerken und Leute auch offline zu treffen, kam aber letztes Jahr dann doch wieder der Gedanke an Visitenkarten. Inzwischen weiß ich aber, dass Print mich nicht besonders interessiert und auch so seine Feinheiten beinhaltet, über die man blöd stolpern kann, wenn man sie nicht kennt. Von daher war ich sehr froh, mir das Büro mit jemandem zu teilen, der all diese Dinge kann! Ben hat mir dann sehr schöne Visitenkarten gemacht, die ich seitdem begeistert und freudig in der Gegend verteile. Und auf dieses Design wäre ich tatsächlich sicher nie selbst gekommen.
Webseiten selber machen?
Ich oute mich nochmal: Ich habe vor viiiieeeeelen Jahren genau durch so einen Anflug von „kann ich selber“ gelernt, wie man Webseiten macht. Und meine ersten drei Webseiten waren, sagen wir mal Anfängerinnenwerke. Aber es hat Spaß gemacht, und manchmal ist eine Webseite besser als keine Webseite, auch wenn sie nicht besonders professionell ist. Jetzt mache ich seit dreizehn Jahren hauptberuflich Webseiten und kann sagen: Wow, ich habe SOVIEL dazugelernt! Und ich weiß auch, dass das Dazulernen nie aufhören wird – das Internet entwickelt sich mit einer Geschwindigkeit weiter, die wirklich bewusstes Dranbleiben erfordert.
Lustigerweise hat mir das klargemacht, dass eine Fachfrau in ihrem Fachgebiet IMMER mehr weiß und mehr kann und mehr draufhat, als ich mir bei all meiner Begabung und Vielseitigkeit in einem realistischen Zeitrahmen draufschaffen kann. Ich weiß, dass mein Logo Haken und Holprigkeiten hat, und dass eine Fachfrau es besser gemacht hätte. Als ich ordentliche Fotos von mir haben wollte, habe ich mir sofort eine Fotografin gesucht, weil ich selbst eine lausige Fotografin bin.
Mein Punkt ist, ich kenne inzwischen meine fachlichen und zeitlichen Grenzen, und ich möchte Dich einladen, Dir mal Gedanken über Deine zu machen. Mir begegnen öfter Leute, die ihre Webseite komplett selber machen, mit Wordpress oder Squarespace oder Wix oder Jimdo, und nicht selten tun sie das, um Geld zu sparen. Wenn ich dann frage, wieviel Zeit sie in ihre Webseite stecken, höre ich in aller Regel lautes Stöhnen… Aus meiner Sicht ist es viel leichter, über Deine eigentliche Arbeit das Geld, das Du für eine Web-Fachfrau ausgibst, damit sie Dir den komplizierten Teil abnimmt, wieder zu verdienen, wenn Du die gesparte Zeit statt dessen in Deine eigentliche Arbeit steckst. Das schaffst Du in aller Regel locker (und wenn nicht, solltest Du Dir Dein Unternehmen ganz grundsätzlich mal genauer anschauen).
Und das Fiasko, in dem Du Dich plötzlich wiederfinden kannst, wenn Du eine Wordpress-Seite hast und keine regelmäßigen Updates machst, lasse ich hier mal völlig außen vor…
Webseiten selber machen!
Andererseits möchte ich Dir mindestens genauso sehr empfehlen, die wichtigen Teile Deiner Webseite – d.h. die Inhalte – so weit irgend möglich in Deiner Hand zu behalten und Dich persönlich und regelmäßig um sie kümmern. Eine Fachfrau kann ein System für Dich aufsetzen, Updates machen, die Gestaltung einrichten und die ganzen webtechnischen Aspekte übernehmen, aber sie kann nicht wissen, wer Du bist und was Du machst, wie Du Deine Kundschaft am besten ansprichst und was diese Leute wissen wollen. Das ist absolut Dein Job, und es ist ein sehr wichtiger Job!
Mir ist es als Fachfrau für Webtechnik darum immer sehr wichtig, dass meine Kundinnen jederzeit ihre Inhalte schnell und leicht bearbeiten können, und dass sie es auch tun. Es ist ein großartiges Betätigungsfeld für das oben erwähnte Gefühl von Selbstwirksamkeit, und ich glaube, es ist die absolute Grundvoraussetzung dafür, dass Deine Webseite lebendig bleibt und Dir tatsächlich die richtigen Leute bringt. Darum rate ich Dir: egal mit welchem System Du arbeitest und ob mit oder ohne Fachfrau im Hintergrund, such Dir was, womit Du gerne und gut arbeitest. Egal wie schön Deine neu erstellte Webseite irgendwann mal war, nach mehreren Monaten totaler Vernachlässigung verliert sie deutlich an Wert. Finde ein System, das für Dich funktioniert.
(Du kannst Grav mit meiner Demo-Seite ausprobieren, wenn Du magst.)