Social Media & Du (und ich)
Ah, Du erkennst womöglich schon eine gewisse Skepsis in meiner Formulierung… aber soziale Medien können definitiv sehr nützlich und hilfreich sein.
Die oft besungene Reichweite
All die vielen, vielen Online-Netzwerke, die es inzwischen gibt, heißen „soziale“ Medien, weil die Interaktion zwischen möglichst vielen Nutzenden immer ein wichtiger Bestandteil ihrer Funktionsweise ist. Freundschaftsanfragen, Vernetzungsanfragen, Followers und wie all diese Dinge heißen – innerhalb eines solchen Netzwerks gibt es immer die Möglichkeit, Verknüpfungen zu anderen herzustellen, manchmal einseitig (wenn man einem Profil folgt), manchmal wechselseitig (wenn man „sich vernetzt“). Das entspricht auch sehr unserer menschlichen Natur, denke ich, und es macht online genauso viel Spaß wie am Stammtisch, zu gucken, wer wen über welche Ecken kennt.
Diese teils von Menschen erstellten, teils von Algorithmen angeregten Verknüpfungen machen auf z. B. Facebook schnell möglich, was mit Deiner eigenen Webseite in aller Regel nur sehr viel langsamer geht: dass viele Menschen vielleicht sogar regelmäßig lesen, was Du so schreibst. Das kann für die Eigenwerbung absolut hilfreich und sinnvoll sein, vor allem wenn Du mit Deinem Unternehmen ganz neu anfängst und noch kaum jemand aufgrund persönlicher Empfehlungen von bestehender Kundschaft zu Dir findet. Du hast auf Social Media, wenn Du es klug anstellst, recht schnell die Chance auf große Reichweite.
Deine eigene Webseite hingegen müssen Leute erstmal finden, also irgendwie drüberstolpern, was in den wilden Weiten des Internets viel schwieriger sein kann als wenn Du konkret den Algorithmus eines sozialen Netzwerks bedienst. Und dann hast Du auf Deiner eigenen Webseite wahrscheinlich viel weniger einfache Interaktionsmöglichkeiten – denn das ist der andere „soziale“ Aspekt der Netzwerke: ein schnell geklickter Daumen hoch, ein einfacher Klick auf „Beitrag teilen“, ein kurzer Kommentar zu einem kleinen Bildchen, und schon sind da Kontakte hergestellt. Lose Verknüpfungen zu anderen Menschen, deren Profile dann für Dich nur einen Klick entfernt sind. Das geht so auf der eigenen Webseite einfach nur sehr, sehr bedingt.
Nachteile? Die Netzwerke kosten ja nicht mal Geld!
Ich sage ja, das kann alles sehr hilfreich und nützlich sein, absolut. Aber – ich finde es bedenklich, wie viele Selbständige ich kenne, die von sozialen Medien und ihren Versuchen, dort beruflich Fuß zu fassen, sehr gestresst sind. Meiner Ansicht nach gibt es da ein paar Faktoren, die sich näher anzuschauen lohnt.
Es ist ein Fass ohne Boden
Es ist gut sich dessen bewusst zu sein, dass man auf Social Media immer noch mehr machen kann. Mehr posten, mehr interagieren, mehr Zeit verbringen, mehr Energie reinstecken. Absolut keins der Netzwerke setzt da Grenzen, ganz im Gegenteil sind alle darauf ausgelegt, ihre Nutzer:innen möglichst lange auf der jeweiligen Plattform zu halten. Du kannst buchstäblich Stunden jeden Tag auf Instagram, Facebook, Pinterest, LinkedIn und wie sie alle heißen surfen, klicken, posten, liken, und der Input hört NIE auf. Und immer ist da die Verheißung von irgendwas Coolem, Interessantem, für Dich ganz persönlich Hilfreichem, das sich nur hinter dem nächsten Scrollen oder dem nächsten Klick versteckt. Und hinter dem nächsten. Dem nächsten. Dem nächsten.
Es ist ein Glücksspiel
Das macht es zu einer Art Glücksspiel, und dafür sind manche Menschen sehr anfällig, aber wir alle ein bisschen. Vor allem wenn der eigene Betrieb (noch oder gerade, aus welchen Gründen auch immer) nicht so super läuft und mehr Kundschaft gut wäre, dann wird diese leise, nur halb bewusste Hoffnung im Hintergrund, dass ja die nächste Interaktion zu einem Auftrag führen könnte oder der nächste Post die richtigen Leute anspricht, leicht zu einer ständigen Begleiterin. Vielleicht knacke ich dieses Mal den Jackpot. Oder mit dem nächsten Post. Oder mit dem nächsten Kommentar. Vielleicht hat mir jemand auf Instagram geschrieben, ich check nochmal schnell die App.
Und im Gegensatz zu Lotto kostet es eben nicht mal Geld! Nur Deine Zeit, und vor allem Deine Energie. Und ich behaupte ganz krass: das Suchtpotenzial ist groß, wenn Du dafür anfällig bist.
Totalverlust ist jederzeit möglich
Noch ein anderer Faktor, den ich aber auch sehr wichtig finde: Es ist jederzeit möglich, dass alles, was Du auf einer beliebigen Social Media-Plattform vielleicht sogar über Jahre hinweg aufgebaut hast, in kürzester Zeit sang- und klanglos in der Versenkung verschwindet. Weil Du über die Inhalte, die Zusammensetzung der Nutzer:innen, den Algorithmus, und ganz grundsätzlich über die Existenz einer solchen Plattform keinerlei Kontrolle hast. Beispiele gefällig?
- Die Nummer Eins, weil aktuell: Ex-Twitter. Die Plattform steht noch, aber wer hängt da noch rum?
- MySpace war mal ganz, ganz groß. Kennt das noch jemand?
- StudiVZ? Hmm, ich meine mich ganz dunkel zu erinnern, dass das vielleicht von Facebook geschluckt wurde.
- Persönlichere Beispiele: Ich kenne Leute, deren Profile auf einer Social Media-Plattform ohne Warnung von jetzt auf gleich einfach gelöscht wurden. Der Anlass dafür, ebenso wie die offizielle Begründung, spielen überhaupt keine Rolle, wenn Dir das passiert. Was weg ist ist weg. Technik spinnt? Hupsi! Tut uns echt leid, das war ein ganz seltener Fall, und irgendwie gibt’s ausnahmsweise auch kein Backup! Zum Trost hier ein 10-Dollar-Gutschein für unseren Premium-Account…
Wem gehört der Content?
Noch so ein geflügeltes Wort: Content. Das heißt einfach Inhalt, und auf Deiner eigenen Webseite sind das die Texte, Bilder, Videos etc., die Du dort eben online hast. Und auf allen sozialen Netzwerken sind es ebenso alle Texte, Bilder, Videos etc., die die Nutzenden gepostet haben. Nur: in einem sozialen Netzwerk trittst Du sämtliche Rechte daran an das Unternehmen ab, das das Netzwerk betreibt. Und das kann damit dann machen, was es will.
(Disclaimer: Wahrscheinlich gibt es da schon rechtliche Grenzen, das ist gewiss nicht mein Fachbereich. Aber die Grundproblematik bleibt.)
Noch einmal: eine eigene Facebook-Seite für Dein Unternehmen kann Dein Geschäft unter Umständen super ankurbeln und genau das Richtige sein, jetzt gerade. Ob das schon in zwei Monaten immer noch der Fall ist, hast Du einfach nicht in der Hand, und das wird immer so sein, bei allen Netzwerken, die einen eigenen Betreiber mit eigenen Interessen haben. Ich würde sagen, es ist ganz ähnlich wie bei der Geldanlage: setz nicht alles auf eine Karte. Mach nicht nur und ausschließlich einen Instagram-Account und erwarte, dass der Dein ganzes notwendiges Marketing abdeckt, solange Dein Unternehmen existiert. Das kann funktionieren, aber ich glaube, die Statistik ist nicht auf Deiner Seite.
Okaaaay, hab verstanden! Und was mach ich jetzt?
Also Regel Nummer Eins: Hab eine eigene Webseite, über die Du die volle Kontrolle hast und behältst, egal was sonst im Netz so abgeht. Hoste sie bei einem zuverlässigen Provider, der ordentliche Backups macht, und mach selber welche. (Der Service eines Providers ist in der Regel zuverlässig, weil er Geld kostet und es da einen Vertrag gibt, aber eigene Backups schaden wirklich gar nie.)
Regel Nummer Zwei: Mach Dir einen Plan für Deine Werbung und Deine Selbstdarstellung, in dem alle Plattformen, die Du bedienen willst, vorkommen, inklusive Deiner eigenen Webseite. Denke daran, das Einzige was Dir sicher bleibt (wenn Du Dich entsprechend kümmerst), ist Deine eigene Webseite mit allen Inhalten, die Du dafür je erstellst hast. Wenn Du Artikel schreibst, tu es auf einem Blog auf Deiner eigenen Webseite. Du kannst es dann auch noch auf LinkedIn oder sonstwo posten, aber auf Deiner eigenen Webseite hast Du jederzeit die Kontrolle darüber, was wo steht – oder eben auch nicht. Manchmal möchte man Dinge auch schnell offline stellen können.
Und Regel Nummer Drei ist eine Grundhaltung, die ich Dir für den Umgang mit Social Media empfehlen möchte: Sieh es ganz bewusst als Glücksspiel, und zwar als eins mit steigenden Chancen, je länger Du dabei bleibst. Diese Chancen steigen nicht endlos, irgendwann bringt die extra Mühe, die Du reinsteckst, nicht im gleichen Maße mehr Chancen auf Kundschaft. Aber es ist natürlich so, dass Du Dir mit ein bisschen Wissen und viel Hartnäckigkeit auf den diversen Plattformen ein Netzwerk aufbauen kannst, das Dir beruflich viel einbringt, wie auch immer genau Dein Ding aussieht.
Das klappt aber nur, wenn Du über Jahre (!) einigermaßen konstant dranbleiben kannst, und das heißt, Du musst einen Zugang dazu und eine Umgangsweise finden, die Dich vor einem Burnout bewahren. Vielleicht ist ein tägliches Zeitlimit sinnvoll. Und Du solltest Dir definitiv gut überlegen, welche Plattformen Du überhaupt gut bedienen kannst und willst UND ob sie sich generell für Dich lohnen. Es kann zum Beispiel sein, dass Deine Zielgruppe viel auf Facebook unterwegs ist, aber wenn Du persönlich diese Plattform nicht abkannst und Dich jedesmal überwinden musst, überhaupt reinzuschauen, dann kostet es Dich vermutlich langfristig mehr Energie als es Dir bringt. Und umgekehrt gefällt Dir LinkedIn vielleicht persönlich gut, aber da sind einfach nicht die Leute unterwegs, die Du ansprechen willst.
Ein Beispiel von mir
Ich bin in vieler Hinsicht kein sehr gutes Beispiel, denn ich habe direkt auf meiner Webseite nichts zu verkaufen, außer meiner maßgeschneiderten Dienstleistung, für die ich seit Jahren immer voll ausgelastet bin. (So ist es, wenn die Mund-zu-Mund-Propaganda irgendwann funktioniert, das sollte durchaus ein langfristiges Ziel von Dir sein, wenn möglich.)
Aber das könnte sich schon irgendwann mal ändern, und nicht zuletzt darum schreibe ich hier – selten, aber so über die Jahre läppert es sich – gelegentlich Artikel in meinem Blog. Und nur in diesem Blog, denn ich finde tatsächlich die allermeisten Social Media-Plattformen zu energieraubend für mich. Vor Jahren war ich mal auf Facebook, als ich noch dachte, ohne ginge es nicht. Ich habe da nie viel gemacht und war sehr erleichtert, als ich den Account endlich wieder gelöscht hatte.
Ich habe seitdem auch mehr über Datensparsamkeit und die Interessen von Megakonzernen gelernt, und auch das ist ein guter Grund für mich, mich von vielen Plattformen fernzuhalten. Obendrein ist meine persönliche Erfahrung inzwischen auch, dass neue Netzwerke oft anfangs interessant und cool sind und nach einer gewissen Zeit (wenn genug Leute da sind), sukzessive Dinge geändert werden und die Datenschutzerklärung immer wieder angepasst, bis es einfach keinen Spaß mehr macht.
Mein LinkedIn-Experiment
Aktuell habe ich genau dieses Gefühl bei LinkedIn. Ich hatte vor zwei Jahren mal ein Webinar mitgemacht, das mich dafür begeistert hat, und nach der Anmeldung freudig festgestellt, dass da viele Leute waren, die ich bei Events oder in anderen beruflichen Kontexten kennengelernt habe. Damit war es eine nette und oft interessante Möglichkeit, unkompliziert mit all diesen Menschen in Kontakt zu bleiben. Allerdings habe ich es nach dieser ersten schwungvollen Phase nur alle paar Wochen mal geschafft reinzuschauen, und dann fühlte ich mich tendenziell immer etwas erschlagen von allem Neuen, was es dann da jedesmal so gab.
Und in letzter Zeit ärgert es mich hauptsächlich, weil LinkedIn nämlich darauf besteht, dass ich eine Wahl treffe zwischen „ja, ich bin auf Jobsuche (wird mit besonderer Vorhebung an Ihrem Profil angezeigt)“ und „nein, aber ich bleibe offen für Angebote“. Das finde ich persönlich ätzend, weil meine ehrliche Antwort lautet „bleibt mir weg, ich liebe meine Selbständigkeit und will meine Ruhe“ – aber so eine Option gibt es halt nicht. Ich mag es nicht, zwangsrekrutiert zu werden. Außerdem finde ich Mails mit dem Betreff „Sie machen das großartig auf LinkedIn, Anna“ auch hart an der Grenze zu peinlich.
Dazu kommt, was ich vorhin schon erwähnte: die Datenschutzerklärung wurde angepasst, und jetzt muss ich durch vorher nicht vorhandene Hürden springen, um mich wieder auszuloggen. Ich gehe stark davon aus, dass das auch nicht mehr besser wird („enshittification“ ist aus meiner Sicht ein wenn nicht unbedingt schönes, so doch treffendes und oft benötigtes Wort). Von daher bin ich da demnächst raus.
Vielleicht (noch) nicht für die breite Masse anwendbar: Open-Source-Alternativen
Leider sehe ich bei dem, wie Kapitalismus so funktioniert, aktuell keine Möglichkeit, dass eine konzerngeführte Social Media-Plattform sich nicht über kurz oder lang zu Gunsten der Firmeninteressen und zu Lasten der Nutzenden verändert. Damit könnte ich schon irgendwie umgehen, wenn ich müsste, aber ich muss ja nicht (was mich sehr glücklich macht). Ich kann Dir da also nicht wirklich viele Tipps geben, außer Dir von Anfang an all dessen bewusst zu sein.
Ich will aber an dieser Stelle sagen, dass es inzwischen sehr viele Open-Source-Alternativen zu allen bekannten Netzwerken gibt. Die haben natürlich allesamt den großen Nachteil, dass nur wenige Menschen sie nutzen, und damit fehlt einfach der Faktor Reichweite, dessentwegen man sich die Mühe letzten Endes hauptsächlich macht. Aber zum einen kann sich das ändern, und zum anderen ist es dort echt richtig nett. Das größte und bekannteste Beispiel wäre Mastodon, das nach dem Quasi-Kollaps von Twitter auch sehr viel Zulauf erhalten hat und wo ich in letzter Zeit mindestens einmal am Tag reinschaue – nicht weil ich muss, sondern weil interessante Leute interessantes Zeug posten und ich mir ohne jeglichen Algorithmus einfach raussuchen kann, was und wen ich lesen will. Und da keine Firma dahintersteckt, stehen die Chancen gut, dass es auch so bleibt.
Ein heißer Tipp zum Schluss
Egal welche Plattformen Du bedienen willst, wenn Du beruflich als Selbständige auf Social Media unterwegs bist, geht wie oben schon gesagt nichts über einen soliden Plan dafür. Und die absolute Königin der Wohlsortiertheit für diese Dinge ist zweifelsohne Claudia Kauscheder.
Um es gleich zu sagen: sie weiß gar nichts davon, dass ich hier Werbung mache. Ich habe aber inzwischen allein von ihren kostenlosen Webinaren und Thementagen so viel an hilfreichen Konzepten mitgenommen und so viele nützliche Sachen erfahren, dass ich es nur fair finde, alle Leute zu ihr zu schicken. Ich verspreche: egal was Dein Thema ist und egal welche Aspekte von Social Media Du herausfordernd findest, in Claudias Fülle von Blogbeiträgen, Videos, Webinaren, Content-Tagen und laufenden Gruppenangeboten findest Du etwas, was Dir weiterhilft!
Und ganz ganz ganz zum Schluss: dieses Blog hat eine Kommentarmöglichkeit, die ich vor Ewigkeiten mal eingerichtet habe. Bis jetzt hat sie noch niemand benutzt (was ich verstehe!). Bist Du die Erste? 🙃