Erst machen, dann optimieren
Das kann verschiedene Gründe haben: wenig Zutrauen in die eigenen Kompetenzen oder die Scheu davor, sichtbar und dadurch womöglich angreifbar zu sein gehören oft dazu. Tatsache ist aber, dass eine starke Neigung zum Perfektionismus eine Menge guter Ideen daran hindert, je wirklich umgesetzt zu werden. Ich habe selber lange gebraucht, um das in voller Klarheit zu erkennen: all die fantastischen Ideen in meinem Kopf sind NUR für mich greifbar und aufregend und wundervoll. Niemand anders hat etwas davon.
Plan trifft Realität
Das ist manchmal total ok! Aber wenn meine Idee andere Menschen involviert, dann kann ich mir zusammenträumen was ich will – alle anderen haben erst etwas davon, wenn ich sie auch tatsächlich umsetze. Und das ist dann der Punkt, wo Perfektionismus so hart bremst: Ich kann nicht alles perfekt in meinem Kopf entwickeln und dann „nur noch umsetzen“. Auch der beste Plan muss sich zwangsläufig der Realität anpassen. Und was ich lange, lange nicht verstanden habe: Diese Realität, die Gegebenheiten, auf die mein Plan Bezug nimmt, die ÄNDERN SICH mit der Zeit. Sie bleiben nicht so lange gleich, wie ich noch in Ruhe über Detailfragen nachdenke! Wenn ich mich erst mit einer perfekt ausgearbeiteten Idee in die Umsetzung traue, ist die Gelegenheit schon vorbei, oder sie sieht schon wieder anders aus. Das ist frustrierend und macht keinen Spaß.
Aber, und ich bin immer noch ganz vorne dabei, wenn es um diesen Einwand geht: Halbgare, undurchdachte Ideen umzusetzen macht auch überhaupt keinen Spaß, und das Ergebnis wird entweder schlampig bis lieblos sein oder es entsteht in einem sehr, sehr zähen und langwierigen Prozess. Hatte ich auch schon reichlich, brauche ich auch nicht mehr.
Entscheidungsfreude hilft
Für mich war der kritische Punkt zu lernen, bewusster und schneller zu entscheiden. Ich habe mich oft unbewusst um Entscheidungen gedrückt, und die Umsetzung einer Idee erfordert eine Menge Entscheidungen: Womit fange ich an? Wann und wie mache ich weiter? Woran merke ich, dass die Idee was taugt und so funktioniert, wie mein Kopf sich das träumt? Was mache ich, wenn sie das eben nicht tut? Diese Klarheit zu schaffen, war mir lange Zeit unbewusst unangenehm.
Jetzt wo ich das weiß und ein bisschen geübt habe, macht es mir richtig Spaß: Weil es nämlich Schwung gibt. Jede Entscheidung ist ein Schritt in der Umsetzung, und es sind die schnellsten Schritte! Wenn mir noch Infos fehlen, bin ich nämlich noch beim Schritt davor (Recherche). Sobald ich alle Infos habe, die ich als Grundlage für die Entscheidung brauche, muss ich „nur noch“ beschließen, wie ich es haben oder was ich ausprobieren will. Und sich darum zu drücken bringt einfach überhaupt nix, das habe ich jetzt verstanden.
Und wie definiere ich „genug Infos“…?
Tja! Das ist natürlich auch schon eine Entscheidung: Weiß ich genug, um entscheiden zu können? Und auch hier hilft übertriebener Perfektionismus nicht weiter, weil man dank Internet absolut alles stundenlang recherchieren kann. Lohnt sich das für ein paar Krümel Information, die vielleicht gar keinen Unterschied machen?
Oft eine gute Idee: Schon vor der Recherche eine Entscheidung treffen, wieviel Zeit ich in diese Suche stecken möchte. Schließlich ist das Zeit, die niemand bezahlt UND die ich nicht mit den Dingen verbringen kann, die mein Leben schön machen (was immer das für Dich ist). Wenn ich gerne recherchiere, ist ein bisschen mehr Zeit ok – aber im Großen und Ganzen finde ich eine Begrenzung hier sinnvoll.
Aber was ist wenn ich die falsche Entscheidung treffe…!?!
Wie definiere ich denn eine „falsche“ Entscheidung? Eine, die mich nicht dahin bringt, wo ich hinwill? Das macht ja eigentlich nichts. Dann entscheide ich neu und eventuell anders, mit dem neu gewonnenen Wissen und an der Stelle, an der ich inzwischen bin. Ich denke mittlerweile, solange eine Entscheidung mich erstmal vorwärts bringt, ist schon das Wichtigste passiert. Den Kurs korrigieren kann ich ja jederzeit. Oder auch alles wieder über den Haufen werfen.
Von daher glaube ich, dass Entscheidungen gar nicht so richtig „falsch“ sein können. Wenn ich im Vorfeld überlege, wo ich hinwill, und mich dann für einen Weg entscheide, der grob in diese Richtung zeigt, dann passiert auf jeden Fall etwas, das einen Fortschritt darstellt. Und der nächste Schritt baut auf diesem auf und bedeutet weitere Verbesserung und Verfeinerung.
Der erste Schritt ist wirklich der schwerste
Manchmal braucht es Mut, etwas Großes anzufangen. Könnte ja schiefgehen. Könnte ja vielleicht alles nicht funktionieren. Aber wenn es nicht wichtig wäre, würdest Du gar nicht so viel drüber nachdenken. Wäre es wirklich schlimm, etwas auszuprobieren, von dem Du jetzt noch nicht weißt, wo es Dich letzten Endes hinführt? Und sitzt es Dir nicht viel querer im Bauch, nur davon zu träumen?
Ich stelle fest, dass es nach dem ersten Schritt, den ich entschlossen getan habe, in aller Regel fast wie von selbst weitergeht. Wenn auch manchmal anderswohin! Aber das Schwierigste ist wirklich die Entscheidung, den ersten Schritt zu tun. Einfach zu denken „das find ich dann schon raus, wie es im Detail geht“. Und dann loszulegen.
Ein Erfolgsbeispiel
Vor einiger Zeit hatte ich eine Anfrage für ein größeres Online-Projekt mit ziemlich viel Programmieraufwand, wo die Auftraggeberinnen auch noch keine glasklare Vorstellung vom Endergebnis hatten. Das Projekt fand ich super reizvoll und interessant, aber mir war auch auf Anhieb klar, dass ich sowas noch nie gemacht hatte und ich daher nicht verlässlich wissen konnte, dass und wie ich es hinkriegen würde.
Ich verbrachte gut zehn Stunden mit Recherche und Konzeptentwicklung: Wie könnte es gehen? Was müsste ich lernen? Wo könnte ich Hilfe bekommen? Und vor allem – würde mir das alles Spaß machen? Mit anderen Worten, ich betrachtete die Sache als Lern- und Wachstumsgelegenheit: DANACH würde ich Dinge können, die bisher nur verschwommen in meinen Kompetenzen auftauchten. Und ich hatte Lust, also sagte ich zu. Die darauffolgenden Monate waren dann auch sehr interessant und voller Herausforderungen, das Projekt ging im sehr grob angepeilten Zeitrahmen online, und jetzt kann ich lauter spannende neue Sachen!
Gescheitert?
Ich habe auch noch ein anderes Beispiel aus meinem Leben, wo ein Wunschtraum zu groß war um ihn nicht zu verfolgen, aber auch zu groß um ihn zu verwirklichen. Ich wollte nämlich ein Haus bauen – also, selber bauen, mit tragendem Lehmbau. (Ich habe da mehrere Workshops mitgemacht und kann tatsächlich mehr, als man mir auf den ersten Blick ansieht.) Das ist alles eine lange Geschichte, die Kurzfassung lautet: Ich habe mal angefangen mit dem einen Grundstück, das mir zur Verfügung stand, weit oben auf der Alb in einem kleinen Dorf. Ich bin mit meiner Familie dorthin umgezogen und habe diverse Anläufe genommen, dieses absolute Großprojekt irgendwie greifbar, planbar, umsetzbar zu machen.
Ende vom Lied: Nach sechs Jahren wurde mir klar, dass die Sache für mich allein mehrere Nummern zu groß war, und dass ich zu diesem Zeitpunkt nicht die Unterstützung dafür hatte, die nötig gewesen wäre. Und meine Kinder waren schwuppdiwupp groß geworden, und das Dorf auf der Alb war nicht mehr der richtige Platz für uns alle.
Ganz ehrlich? Das war bitter. Von meinem eigenen Lehmhaus träume ich immer noch. – Aber war es deshalb die falsche Entscheidung, es zu versuchen? Ich glaube nicht! Ich habe soviel gelernt – das ist immer gut – UND ich wäre mit dem ständigen Gedanken „was wäre wenn ich es probiert hätte“ kreuzunglücklich gewesen. Manchmal ist es so. Außerdem: Für mich selbst kann ich immer noch ein Lehmhaus bauen (vielleicht dann in einem Land, in dem das einfacher ist als in Deutschland).
Was ich noch ausprobiere
Das ganze Thema beschäftigt mich gerade, weil ich genau in dieser Phase stecke, in der ich mal loslege und ausprobiere und eben noch nicht klar ist, wo mich das Experiment hinführt. Und zwar mit diesem Blog hier! :-)
Die Sache ist die: Ich möchte mein Unternehmen in Zukunft anders gestalten, mit weniger Maßarbeit und für viel mehr Leute. Das ist ein einziges großes Experiment, und sogar wenn ich schon ganz ganz genau sagen könnte, wo ich hinwill, wäre mir der Weg dahin zu weiten Teilen unklar. Was ich weiß: Für Reichweite und Anknüpfungspunkte ist es nicht verkehrt, ein Blog und einen Newsletter zu haben. Ich weiß außerdem, dass ich gerne schreibe und definitiv auch immer was zu sagen habe. Also schreibe ich jetzt halt mal jeden Freitag einen Blogbeitrag.
Der Aufbau eines Langzeitprojekts
Zu was für einem Thema? Was mir am jeweiligen Tag einfällt oder was mich von meiner Liste gerade anspringt. Baue ich kluge Links zu Angeboten auf meiner Seite ein? Nö. Hab noch nix (fertig). Was für Schlagworte klebe ich dann an den Text? Ehrlich gesagt, ziemlich undurchdachte! Und die Headerbilder sind einfach nur bunte Farbflecken…
Mit anderen Worten, ich weiß gerade noch nicht so richtig, was ich tue und wo es mich hinführt. Wenn ich es aber schon gar nicht schaffe, jeden Freitag einen Blogbeitrag zu schreiben, dann brauche ich auch nicht drüber nachdenken, welche Schlagworte und welche Themen da passend oder sinnvoll wären. Der erste Schritt ist: Schreiben. Regelmäßig, konsistent, und dauerhaft gerne schreiben.
Und wenn ich DAS schaffe (das ist nämlich schon eine ganz schöne Leistung, und dank des fortlaufenden Faktors ein nicht zu unterschätzender Aufwand), dann kann ich mir nach zwölf oder fünfzehn geschriebenen Artikeln mal überlegen, ob das, was so aus mir herauspurzelt, vielleicht schon von selbst eine sinnvolle Richtung eingeschlagen hat, oder was für Schlagworte helfen könnten, da Struktur reinzubringen, und dann kann ich auch mal rumfragen, was andere Leute so davon halten und ob das überhaupt jemanden interessiert, was ich so schreibe. Erst machen, dann optimieren.
Mein Fazit bisher
Wie gesagt, ich weiß noch nicht wo’s hinführt. Was ich weiß, ist dass es mir bisher viel Spaß macht und erstaunlich leicht fällt, wirklich jeden Freitag was zu schreiben. Letzte Woche war ich krank, und da war ich wiederum auch positiv überrascht, wie gut ich beschließen konnte, es dieses eine Mal einfach sein zu lassen, ohne das Gefühl zu haben „es mal wieder nicht durchzuziehen“. Und jetzt bin ich wieder da :-) und habe immer noch das Gefühl, ein bisschen im thematischen Nebel zu stochern. Aber das ist im Moment ok!
Und wenn ich dann mal meinen Groove gefunden habe? Vielleicht schreibe ich all diese Anfangstexte dann um, oder nehme sie nach und nach offline. Vielleicht lasse ich aber auch alles extra so wie es ist, als Anschauungsmaterial, wie Anfänge eben so aussehen können. Wenn ich so drüber nachdenke, wäre ich selber für diese Sorte nachvollziehbare Entwicklung bei anderen ziemlich dankbar.
Heute ist der neunte Blogbeitrag (außer Referenzen, natürlich), das heißt Ende März oder so ziehe ich mal Zwischenbilanz und denke über eine Kurskorrektur nach. Bis dahin – freut euch auf Überraschungstexte. ;-) (Und ich freu mich auf Überraschungskommentare!)